WERKE
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Wahnsinn auf der Heide
von Suffolk.
Is this
the promis'd end?
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Sebalds Werke in nuce
Ein Elementargedicht nennt W. G. Sebald sein erstes, 1988 erschienenes, genuin literarisches Werk: ein frei und ruhig rhythmisiertes
Gedicht, ein literarisches Triptychon, von dem man keine zehn Zeilen lesen kann, ohne in einen merkwürdigen Sog zu geraten. In drei Teile ist das Langgedicht gegliedert,
das drei Männer porträtiert: den Maler Mathis Grünewald, den Naturforscher G. W. Steller und den Autors selbst.
Wie in seinen späteren Werken versammelt W. G. Sebald auch schon hier „Wahlverwandte“ um sich, stellt sich als Autor zu einem großen Maler und einem
abenteuernden Forscher und porträtiert sich in ihnen und sie in sich, ein Dreigestirn von Ruhelosen, das einen Hang zur Einsamkeit gemeinsam hat, ein
auffallendes Interesse an der Natur - und eine scharfe Beobachtungsgabe. Der hochgradig anspruchsvolle und sprachlich ungemein reizvolle Text, dessen Themenstränge
- allein schon in den angeführten Bildwerken und Schriftbezügen - weit in die Europäische Kulturgeschichte zurückreichen.
Im dritten Teil berichtet der Erzähler, seine Mutter sei im August 1943 Augenzeugin eines schweren Luftangriffs auf Nürnberg geworden, bei dem 582 Bomber die Stadt
Dürers in Schutt und Asche legten und skizziert in diskreten, kryptischen Andeutungen die eigenen Lebensstationen.
Die Nachkriegskindheit im Allgäu, die frühe Ehe, das Stranden in Manchester, schließlich die Wahlheimat East Anglia.
Alles ist Augenzeugenschaft, und alles angelesen. Die späteren Prosawerke Sebalds sind alle motivisch, in nuce, in diesem Versepos enthalten:
Bezüge auf Kafka und Georgius Miles durchziehen (als Patrone und Spiegelfiguren des Autors) auch Schwindel.Gefühle.
Das Stichwort Kindertransport nach England im Achtunddreißigerjahr weist voraus auf Austerlitz, das Leben G.W. Stellers auf die Ausgewanderten.
Der Spaziergang an der Küste in Suffolk (wiederum eine Entdeckungsreise in eine entlegene Gegend) ist die Keimzelle der Ringe des Saturn.
Selbst Luftkrieg und Literatur deutet sich schon an in der Darstellung des brennenden Nürnbergs.
Gefühle Sebalds und anderer
Wie immer: Wiederkehrende Motive und literarische Anspielungen, schwindelartige Gefühle der Irritation - vier Kollegen, kunstvoll miteinander verwoben in
geheimnisvollen Geschichten, Henri Beyle alias Stendhal, Ernst Herbeck, Franz Kafka und ein anonymer Wertacher, der in Wertach einkehrt.
Der Icherzähler kämpft mit den Schwindelgefühlen vor allem dann, wenn sich zwischen Erinnerung und Wirklichkeit eine bedrohliche Kluft auftut. Kafkas ruheloser,
lebendigtoter Jäger Gracchus geistert durch alle vier Geschichten. Sebald interessiert Melancholie bei sich und den Autoren sowie deren Träume, Ahnungen
und Schwindelgefühle.
Und manche Wertacher haben ihm Mitteilungen, in denen sie sich wiedererkannten, übel genommen.
Vier Biografien
Dr. Selwyn, Paul Bereyter, Ambros Adelwarth und Max Aurach - Pogrome, Holocaust, Auswanderung und das stille Fortwirken dieser Traumata bestimmen ihre Lebensläufe.
Wie zufällig tritt der Ich-Erzähler immer in eine persönliche Beziehung zu ihnen.
Allen vier Erzählungen ist ein Motto vorgesetzt, im letzten („Im Abenddämmer kommen sie und suchen nach dem Leben“) leuchtet das lange,
selbstzerstörerische Schweigen der Hauptfiguren auf. Neben die Fotos treten Gesprächspartner und Tagebuchschreiber, die in ihrem eigenen Stil belassen
erscheinen und dem Text einen Anstrich von biografischer Forschung und Multiperspektivität geben. So entsteht der berühmte Sebaldsound, der dem Leser
demonstriert, wie sich nachdenkend die richtigen Schlüsse aus den an der Oberfläche sichtbaren Spuren ziehen lassen. Für einen Rezensenten
ist das Buch ein Klassiker und die Erzählungen „nichts anderes als ausführliche Begründung für seine eigene Auswanderung“ 1966 nach England.
„Sebald ertrug die Deutschen nicht und hat doch nicht nur Deutsche Literatur in Norwich gelehrt, sondern vielleicht das schönste Deutsch geschrieben,
das in seiner Generation zu finden ist.“
Englische Wallfahrt
Reisebericht und Weltgeschichte. Die Wallfahrt ist eine doppelte. Einmal ist der Erzähler auf den Spuren großer Melancholiker wie Swinburne oder Chateaubriand
unterwegs, auf der Suche nach dem erlösenden genius loci. Zum anderen versinnbildlicht das se mettre en route des Erzählers von Beginn an den Schreibprozess
selbst, quasi als räumliche Erfahrung der Lektüre.
Text und Illustrationen sind eine Einheit, sowohl nach Sinngehalt (z. B. Ringe) als auch Thema: Reisen als Wallfahrt. Motive, Stil, Form, Sprachfluß,
Darstellung und Struktur sind kongruent und genuines Prinzip. Auf dem melancholischen Gang durch die europäischen Zivilisationsruinen wählt der Erzähler
in Wanderschuhen in seiner Sprechweise die Gemächlichkeit, die Diktion im Gehrock.
Im August 1992, als die Hundstage ihrem Ende zugingen, machte ich mich auf eine Fußreise durch die ostenglische Grafschaft Suffolk in der Hoffnung,
der nach dem Abschluß einer größeren Arbeit in mir sich ausbreitenden Leere entkommen zu können.
Im Koordinatensystem des scheinbar alles mit allem assoziierenden Erzählers ist der britische Arzt und Gelehrte Thomas Browne ein wichtiger Schnittpunkt,
er eröffnet die lange Reihe historischer Persönlichkeiten, von Chateaubriand über Algernon Swinburne bis zu Joseph Conrad.
Sebalds Erzählerfigur erweist sich zum einen als nachdenklicher homo viator, der auf seinen Reisen durch Ostengland allenthalben auf Überreste der historia calamitatum
stößt, einer Welt, die dem Übergang überantwortet ist. Zum anderen tritt der Erzähler als sensibler „Nachgänger“ literarischer Ahnherren auf, denen er auf seinen
Exkursionen nachspürt und deren Texte er immer wieder in seine eigenen integriert und zitiert.
Geraubt: Heimat - Sprache - Name
Sebalds letztes geniales Meisterwerk, erschienen im Jahr seines Todes.
Wer ist Jacques Austerlitz? Ein rätselhafter Fremder, der immer wieder an ungewöhnlichen Orten auftaucht: am Bahnhof, am Handschuhmarkt, im Industriequartier ...
Und jedes Mal erzählt er ein Stück mehr von seiner Lebensgeschichte, der Geschichte eines unermüdlichen Wanderers durch unsere Kultur und Architektur.
Thema ist die Vita des 1934 in Prag geborenen jüdischen Wissenschaftlers, 1938 mit dem Kindertrasport nach London verschickt.
Erst nach seiner akademischen Laufbahn entdeckt Austerlitz seine Herkunft und er beginnt die Erforschung seiner Kindheit, seines Schicksals und seiner Abstammung.
Theresienstadt, Prag und Nazizeit spielen eine zentrale Rolle.
Der Icherzähler zeichnet alles ihm Erzählte sorgfältig auf, am Ende erbt er von Austerlitz Bilder und Aufzeichnungen .
Stan Neumann verfilmt das Buch kongenial
Lyrik
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