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FYN 5




My love

I am sending you
this picturesque
view of the River
Rhine as I will
be leaving today
by the six o'
clock steamer






Tess Jaray




Erst als wir den Rheinstrom entlangfuhren, schaute sie manchmal von ihrer Lektüre auf und seitwärts durch die Scheiben des Abteilfensters auf das Wasser und die steilen Abhänge des jenseitigen Ufers hinaus. Es mußte ein starker Nordwind aufgekommen sein, denn die Heckflaggen der stromaufwärts die graue Flut durchpflügenden Lastkähne wehten nicht nach rückwärts, sondern wie auf einer Kinderzeichnung nach vorne zu, was dem ganzen Bild etwas ebensosehr Verkehrtes wie Rührendes gab. Das Licht draußen hatte zusehends abgenommen, bis nur mehr eine fahle Helle das Stromtal erfüllte. Ich trat hinaus auf den Gang. Die wie mit einer Kaltnadel gezeichneten schiefer- und violettfarbenen Weinberge waren stellenweise mit türkisgrünen Netzen abgedeckt. Als nun ein allmählich eintretendes Schneetreiben diesen im Vorbeigleiten fortwährend sich verschiebenden, im wesentlichen aber unverändert bleibenden Prospekt mit einer feinen, fast waagrechten SchrafTur überzog, war es mir auf einmal, als seien wir auf dem Weg hinauf in den hohen Norden, als näherten wir uns bereits der äußersten Spitze der Insel Hokkaido. Die Winterkönigin, von der ich insgeheim vermutete, daß sie diese Verwandlung der Rheinlandschaft bewirkt hatte, war gleichfalls auf den Gang herausgekommen und stand, das schöne Schauspiel betrachtend, bereits eine längere Weile neben mir, bis sie mit einem kaum wahrnehmbaren englischen Tonfall in der Stimme und, wie es mir schien, ganz für sich allein die folgenden Zeilen sagte:
      Rasen weiß verweht vom Schnee
      Schleier schwärzer als die Kräh'
      Handschuh weich wie Rosenblüten
      Masken das Gesicht zu hüten.

Schwindel.Gefühle S.290f